Monitoring & Ergebnisse

Welche Auswirkungen haben biodiversitätsfördernde Maßnahmen in einer Obstanlage? Sind die Maßnahmen überhaupt notwendig? Solche und weitere Fragen stellen sich den Obstbauern und -bäuerinnen zu Recht, nehmen sie doch Zeit und Geld für ihre Umsetzung in Anspruch. Um diesen Fragen nachzugehen, werden im Projekt „Obstbau-Modellanlagen zur Förderung der biologischen Vielfalt“ jährlich systematische Erfassungen von verschiedenen Tier- und Pflanzenarten auf allen Modellanlagen durchgeführt. 

Methodik

Erfassungsmethodik der einzelnen Artengruppen

Die Erhebung von Flora und Fauna auf den Modellflächen stellt das zentrale Instrument für die Erfolgskontrolle der Biodiversitätsförderung dar. Für jede Modellanlage wird in mehreren Begehungen zwischen März und August der Bestand von Vögeln, Wildbienen, Heuschrecken und weiteren Tierarten, sowie Vegetation aufgenommen.

Die Erfassung der einzelnen Artengruppen wurde erstmals 2020 durchgeführt und wird seitdem jährlich fortgeführt. Die Erfassungsergebnisse aus dem ersten Projektjahr dienen als Ausgangswert für die jeweilige Modellanlage. Da sich die Ausgangsbedingungen zwischen den einzelnen Betrieben stark unterscheiden, soll im Rahmen des Projektes kein Vergleich der Biodiversität zwischen den Modellanlagen gezogen werden, sondern die Entwicklung der Anlagen im Einzelnen im Fokus stehen.

Durch die Umsetzung bzw. Aufstockung und Weiterentwicklung biodiversitätsfördernder Maßnahmen wird erwartet, dass sich sowohl die Gesamtindividuenzahl als auch die Anzahl der nachweisbaren Arten erhöht. Die bisher erfassten Daten bestätigen diese Erwartung.

Gezielt untersucht werden die Artengruppen Vögel (Ayes), Wildbienen (Apoidea mit Ausnahme der Honigbiene) und Heuschrecken (Orthoptera) sowie die Vegetation der Krautschicht. Weitere Arlen werden bei Sichtung miterfasst, aber nicht aktiv untersucht.

Methodik der Vogelerfassung:

Um die Vogelarten und Vogelaktivität in verschiedenen Bereichen der Obstbauanlage zu kartieren, werden zwischen Anfang April und Mitte Juni drei Kontrollgänge, je einmal pro Monat, auf jeder Projektfläche durchgeführt.  Die Vogelarten werden hauptsätzlich auf Basis von Sichtbeobachtungen und Reviergesängen der Männchen erfasst. Dabei findet die Kartierung jeweils kurz nach Sonnenaufgang statt, wenn viele Singvogelarten ihre höchste Gesangsaktivität zeigen (Südbeck et al. 2005). Diese Kontrollgänge dauern dabei je nach Größe und Ausstattung der Projektfläche jeweils zwischen 30 und 60 Minuten.

Um die Vogelaktivität in den Modell-Obstbauanlagen möglichst umfassend aufzunehmen, werden die Flächen nach der Methodik von Rösler (2013) durch langsames Begehen kontrolliert.  Innerhalb der Niederstammanlagen werden dabei je nach Größe der Projektfläche mindestens zwei Fahrgassen sowie Seiten und die Kopfseite der Anlage abgegangen. Außerdem werden wertvolle Habitatstrukturen, wie alte Bäume und Hecken auf der Projektflächen kontrolliert. Nach Rösler (2003) erwies sich das Abgehen der Kopfseite mit Längsblick in möglichst viele Fahrgassen als wichtig, da auf diese Weise am Boden sitzende und nahrungssuchende Vögel registriert werden können. Neben den Vogelsichtungen auf der eigentlichen Fläche der Modellanlage werden auch Beobachtungen im direkten Umfeld der Anlagen aufgenommen.

Die Erfassung der Artengruppe Vögel wird von Dr. Izabela Hajdamowicz, Flächenagentur Baden-Württemberg GmbH, durchgeführt.

Methodik der Heuschreckenerfassung:

Die Heuschreckenkartierungen finden in den Monaten Juni, Juli und August statt. Sie werden nach der von der LUBW beschriebenen Insekten-Kartierungsmethode für Offenlandbiotope durchgeführt (LUBW 2019). Um die Heuschreckenarten und -individuen zu erfassen, werden die verschiedenen Bereiche der Obstbaumodellanlagen langsam, möglichst gleichmäßig abgegangen und das Heuschreckenvorkommen über Sichtbeobachtung, Verhören, Hand- und Kescherfänge aufgenommen.  Optimale Witterungsbedingungen für die Kartierung sind sonnige und windstille oder schwach windige Tage, ohne Niederschläge, mit Temperaturen nicht unter 15°C (Detzel 1998). Die Kartierungen werden daher in der Regel zwischen 11.00 und 17.00 Uhr bei günstigem Wetter und Temperaturen zwischen 20°C und 30°C ausgeführt.

Die Erfassung der Artengruppe Heuschrecken wird von Dr. Izabela Hajdamowicz, Flächenagentur Baden-Württemberg GmbH, durchgeführt.

Methodik der Pflanzenerfassung:

Zwischen April und Juli 2021 wurden einmal pro Monat in ausgewählten Bereichen der Obstbau-Modellanlagen Vegetationserfassungen durchgeführt. Die Aufnahmen wurden nach den von der LUBW beschriebenen Kartierungsmethoden für Offenlandbiotope (LUBW 2016) ausgeführt, die sich in diesem Projekt auf die Gefäßpflanzen beschränken. Die Größe der Aufnahmeflächen wurde aufgrund der kleinräumigen Struktur der Obstbauanlagen jedoch nach Rösler (2003) verkleinert. Innerhalb von Niederstammanlagen wurden Aufnahmen der Pflanzenarten im Bereich der bewachsenen Fahrgassen sowie im Bereich der offengehaltenen Baumstreifen durchgeführt. Die Größe der Aufnahmeflächen in den Fahrgassen beträgt ca. 10 m². Entlang der Baumstreifen beträgt die Aufnahmefläche ca. 5 x 0,5 m, also 2,5 m². Zusätzlich wurden auch die Pflanzen in den Maßnahmenbereichen wie Blühflächen und Hecken erfasst. Dabei wurden Streifen von ca. 5 m kartiert, wobei die Breite je nach Projektfläche zwischen 1,5 und 2 m beträgt, so dass die Aufnahmeflächen hier zwischen 7,5 und 10 m² schwanken.

Nach dem ersten Projektjahr (2020) hat sich herausgestellt, dass die Erfassung der Pflanzenarten ausgeweitet werden sollte, um eine genauere Darstellung der Flora in den Obstbauanlagen zu ermöglichen. Seit den Erfassungsterminen 2021 werden daher die Anzahl der untersuchten Bereiche erhöht, insbesondere der Fahrgassen und Baumreihen. Ein Fokus liegt hierbei auf der in den Modellanlagen auftretenden Spontanvegetation.

Die Erfassung der Vegetation wird von Anne Föllner, Flächenagentur Baden-Württemberg GmbH, durchgeführt.

Methodik der Wildbienenerfassung:

Die Wildbienenerfassung findet zwischen April und Juli jeweils bei guter Witterung für je ca. 60 Minuten statt. Die eigentlichen Bewirtschaftungsflächen, die Randstreifen sowie Maßnahmenbereiche, v.a. blütenreiche Ansaaten und Nisthilfen werden dabei gesamthaft betrachtet. Es werden dabei primär Blüten und zum Nisten geeignete Strukturen abgesucht. Die Nachweise erfolgen soweit möglich mittels Sichtbeobachtungen und Freilandbestimmungen. Wenn dies nicht möglich ist, werden die Tiere mittels gezielter Kescherschläge gefangen und ggf. später im Labor bestimmt. Fallen werden nicht eingesetzt.

Bei der Ersterhebung 2020 kam es aufgrund Corona-bedingter Umstände zu einem verspäteten Projekt- und Erfassungsbeginn und so zum Wegfall der wichtigen ersten Frühjahrsbegehung. In 2021 und in diesem Jahr ließen sich die für das Monitoring vorgesehenen vier Bearbeitungsdurchgänge plangemäß durchführen. Für den Vergleich der Ergebnisse werden – um Verzerrungen zu vermeiden – a) jeweils nur die drei letzten Erfassungen und/oder b) nur die letzten beiden Jahre mit ihren vier Erfassungen herangezogen. Somit liegen den jeweils zu vergleichenden Daten dieselben phänologischen Fenster und dieselbe Bearbeitungszeit zugrunde.

Die Flächen am Bodensee wurden von Mike Herrmann, Konstanz, die Flächen bei Karlsruhe und Heuchlingen zunächst von Marie Bayer, Hardthausen, seit 2022 von Gereon Kapp, Freiburg, bearbeitet.

Ursprünglich war vorgesehen, die sechste Modellanlage (Neuanlage in Heuchlingen) ab 2022 in die Untersuchung einzubeziehen. Diese wurde jedoch zwischen der ersten und der zweiten Erfassung 2022 umgebrochen. Entsprechend gibt es aus diesem Jahr nur von der ersten Begehung Daten, welche bei der Auswertung nicht berücksichtigt wurden.

Literaturnachweis:

  • Detzel P, Neugebauer H., J. & P. Zimmermann (2021): Heuschrecken – Arten, Habitate, Gefährdung. Regierungspräsidium Karlsruhe (Kursmaterialien)
  • Detzel P. (1998): Die Heuschrecken Baden-Württembergs.- Ulmer Eugen Verlag, Stuttgart
  • Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) – https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/natur-und-landschaft/insektenmonitoring, letzter Zugriff: 14.12.2020
  • Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) (2016): Kartieranleitung Offenland-Biotopkartierung Baden-Württemberg. – Karlsruhe
  • Rösler, S. (2003): Natur- und Sozialverträglichkeit des Integrierten Obstbaus. – Dissertation, Hrsg.: Universität Kassel
  • Südbeck, P., Andretzke, H., Fischer, S., Gedeon, K., Schikore, T. Schröder, K. & Sudfeldt, C. (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. – Radolfzell

Ergebnisse

Hier finden Sie den Wildbienenbericht 2022 und den Wildbienenbericht 2023 .

Beschreibung der Ergebnisse

Bei Vögeln wurde je nach Modellfläche generell im ersten oder zweiten Jahr nach den Maßnahmen ein Anstieg der Individuenzahl und Artenzahl beobachtet.

Für die Nutzung der Obstbauanlagen von Vögeln spielen viele unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Hauptsächlich werden die Flächen als Nahrungshabitat genutzt. Nisthilfen in den Obstbaumreihen oder am Rand der Anlage werden oft angenommen und zum Brüten genutzt. Ein Nestbau in den Obstbäumen selbst ist aufgrund der regelmäßigen Störung durch die Bewirtschaftung eher die Ausnahme.

Die Individuenzahl der beobachteten Heuschrecken ist seit Beginn der Beobachtungen in allen Modellanlagen tendenziell gestiegen. Entsprechendes gilt auch für die Anzahl der Heuschreckenarten.  Von den 70 in Baden-Württemberg beheimateten Arten sind insgesamt 13 in den Modellanlagen nachgewiesen worden. Dabei handelt es sich überwiegend um häufige und weit verbreitete Heuschreckenarten, die gleichzeitig sehr mobil sind und neue Lebensräume schnell besiedeln können.

Da die meisten Heuschreckenarten mehrjährige, strukturreiche Vegetation bevorzugen, wurden die höchsten Individuenzahlen durchgehend in Altgrasstreifen bzw. mehrjährigen Blühflächen nachgewiesen, die nur selten befahren und gemäht werden.

Die Individuen, die in den Baumreihen erfasst wurden, hielten sich eher am Ende oder in lichten, wenig beschatteten Bereichen auf. Gegen Herbst, wenn die Populationsdichte der Heuschrecken tendenziell noch weiter steigt, nimmt auch die Bewirtschaftungsaktivität in Anlagen zu, was wiederum negative Auswirkungen auf die Heuschrecken hat.

Die Entwicklung der Pflanzenvielfalt in den Modellanlagen hängt nicht nur direkt von der Witterung im Frühjahr ab, sondern von weiteren Faktoren wie dem Alter oder der Pflegeintensität des jeweiligen Bereiches. Die unmittelbar von der Bewirtschaftung betroffenen Bereiche wie Fahrgassen oder Baumreihen unterliegen im Großteil der Fälle einer „Unkrautregulierung“ (chemisch oder mechanisch). Die zu Projektbeginn ausgebrachten Blühmischungen verlieren in den Folgejahren nach der Ansaat oft einen Teil der Artenvielfalt, da sich einzelne dominante Pflanzen durchsetzen und andere Arten zurückgedrängt werden. Aus diesem Grund sollten Blühflächen in regelmäßigen Abständen erneuert werden.